Immer wieder merke ich, dass die Vorstellungen davon, was bei einem „Ritual“ so passiert, sehr weit auseinander gehen und ich spüre oft starke Berührungsängste. Das ist verständlich und würde mir genau so gehen! Es kommt eben sehr darauf an, was jede*r ganz persönlich mit diesem Begriff verbindet, welche Erfahrungen gemacht wurden oder auch welche (vielleicht auch mit ein paar Vorurteilen behafteten) Erwartungen vorhanden sind. Beispielsweise habe ich schon, wenn ich davon erzählt habe, Sachen gehört wie „ das ist doch mit so laut stampfen und schreien“ oder „ das ist mir ja allgemein viel zu esoterisch“, oder „ das ist sicher so streng und rigide wie in der Kirche“, usw.
Daher habe ich mir gedacht, ich schreibe mal ein paar Worte darüber, wie die Rituale bei mir ablaufen, was dabei passiert und worum es (mir) geht.
Ein Ritual im Zusammenhang mit einem besonderen Ereignis (z.B. Hochzeit, Namensfest oder andere Lebensfeste) oder einem speziellen Zeitpunkt im Jahr, wie es die acht traditionellen Jahreskreisfest sind, ist für mich letztlich ein Bündeln aller Kräfte, der sichtbaren und der unsichtbaren, zu dieser besonderen Zeit oder dem speziellen Anlass. Es hat natürlich eine spirituelle Basis, in diesem Fall eine natur-spirituelle oder man könnte auch sagen ähnlich einer schamanischen (allerdings unserem hiesigen Kulturkreis zugehörig), jedoch ist es mir immer sehr wichtig, dass jede*r Teilnehmer*in im Ritual auch für sich die ganz eigenen spirituellen Kräfte oder Begleiter rufen bzw. nutzen kann,so wie er / sie sich wohl und gut aufgehoben fühlt. Ich mache zu Beginn eine Anrufung, bei der ich nach alt-keltischer oder auch schamanischer Art Mutter Erde und Vater Himmel anrufe, die vier Elemente und Himmelsrichtungen, die Wesen des Platzes, die Ahnen etc. Diese stehen stellvertretend für Qualitäten und Energien, die uns allen sowieso immer präsent sind, z.B. die Luft für Leichtigkeit, das Feuer für Mut und Tatkraft oder die Erde für Stabilität und Sicherheit. Mit diesen Qualitäten in gutem Kontakt zu sein ist für uns alle sehr hilfreich und stärkend. Sind wir mit ihnen gut verbunden, so sind wir in unserer Mitte und damit in unserer maximalen Kraft. Das gilt besonders im Rahmen eines Rituals aber auch in unserem sonstigen alltäglichen Leben. Dies ist einfach mein persönlicher Zugang zur spirituellen Dimension, der aber keineswegs für andere gelten muss.
Mithilfe dieser Anrufungen also öffne ich als Ritualleiterin ein Kraftfeld, von dem nun alles, was innerhalb des Rituals stattfindet, getragen und gestärkt wird.
Im Ritual selbst stellen wir uns dann zunächst mit einer geführten Meditation auf die Zeitqualität des jeweiligen Festes ein, auf das, was gerade in der Natur geschieht, was wir wahrnehmen. Durch das Meditative wird es so nicht nur zu einem rein rationalen Verstehen sondern zu einem Erspüren dessen, was uns aktuell in der Natur umgibt, wir nehmen es sozusagen mit allen Ebenen in uns auf, nicht nur mit dem Verstand, wodurch wir es auch tiefer integrieren, sozusagen wirklich erfahren können. Dies dann umso mehr, wenn wir im weiteren Verlauf des Rituals immer zumindest kurz (je nach Wetter) hinaus gehen und dort mit dieser Kraft in direkten Kontakt gehen und mit ihr arbeiten, z.B. legen wir gemeinsam ein zum Fest passendes Symbol auf die Erde und drücken so unsere Wertschätzung Mutter Erde gegenüber aus (= landart, die Erde kunstvoll schmücken), oder wir sammeln die Kraft der Kräuter in einem Jahreskreis-Sträußerl für uns, oder wir holen Erde aus dem Garten um einen Samen für das gerade beginnende Jahr darin zu pflanzen usw….. dies sind kleine aber sehr kraftvolle, symbolische Naturrituale, wobei wir das, was in der Natur gerade geschieht, dabei immer auch auf unser persönliches Leben übertragen. Wir überlegen z.B. bei Erntedank wofür wir auch in unserem eigenen Leben dieses Jahr dankbar sein können oder zur Wintersonnenwende, zur Wiederkehr des Lichts, entzünden wir symbolisch auch unser eigenes, inneres Licht.
Diese Aspekte lassen allen Teilnehmer*innen den Raum, innerhalb des Struktur gebenden Rahmens des Rituals die eigenen inneren Anliegen, das eigene Leben intensiv und mit viel innerer Ruhe zu reflektieren und je nachdem, bestimmte Lebensthemen zu stärken oder auch los zu lassen. Aus eigener Erfahrung (und ich bin da insgesamt sehr skeptisch und vorsichtig!!) kann ich sagen, dass diese Rituale eine sehr große Kraft besitzen, dass durch dieses Bündeln der Kräfte zu einem besonderen Zeitpunkt im Jahr, noch dazu in einer Gruppe, tatsächlich viel Gutes passieren und Vieles in Bewegung kommen kann.
Und – da es ja doch ein JahreskreisFEST ist, und damit wir auch alle nach dem Erlebten wieder gut geerdet und auf wirklich allen Ebenen gestärkt in unseren Alltag zurück kehren können, gibt es immer im Anschluss noch ein gemeinschaftliches Beisammensein und Austausch mit jahreszeitlich passendem Essen und Trinken, das sogar manchmal als Teil des Rituals zuvor gemeinsam zubereitet wurde, beispielsweise die Neunkräutersuppe im Frühling zu Ostara, und /oder zu dem jede*r Teilnehmer*in eine Kleinigkeit beisteuert.
Das Tiefste jedoch, was bei den Jahreskreis-Ritualen passiert, und das ist es auch, was mir daran am meisten am Herzen liegt, ist es, dass wir durch dieses intensive und bewusste Erleben und Erfahren der wechselnden Jahreszeiten der Natur wieder ein großes Stück näher kommen. Wir können dadurch deutlich wahrnehmen, und zwar auf allen Ebenen, dass wir Teil der Natur sind, dass wir zutiefst mit ihr – der Erde, den Pflanzen und den Tieren – verbunden sind. Und damit kommen wir nicht zuletzt auch uns selbst und unserer eigenen Mitte, unserer tiefsten Kraft, wieder sehr viel näher, denn, wie der wunderbare Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl sagt: "Naturerkenntnis ist Selbsterkenntnis!“.
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